Sehr geehrter Herr Bundesminister,
wir, die niedergelassenen Ärzte*innen des Landkreises Kitzingen, die Kreisräte*innen und die Klinikleitung sind seit der Veröffentlichung des Entwurfs der Regierungskommission zur Krankenhausreform in großer Sorge um den Bestand der kreiseigenen „Klinik Kitzinger Land“. Obgleich wir grundsätzlich eine umfassende Krankenhausreform durchaus für notwendig erachten.
Würde man dem aktuellen Wortlaut des vorliegenden Reformentwurfs folgen, könnte unsere bislang sehr erfolgreiche und für die Region unverzichtbare Klinik nicht weiter existieren, da ihr für die meisten Leistungen die Berechtigung entzogen würde. Seit nunmehr über 40 Jahren ist unsere Klinik ein verlässlicher Akteur in der Gesundheitsversorgung des Landkreises und darüber hinaus.
Unverzichtbar ist die Klinik insbesondere, weil die Universitätsklinik Würzburg und die weiteren Krankenhäuser der Stadt wegen bereits vorhandener Überlastungen auch bei den angepassten Zielen der Reform nicht die nötige medizinische Versorgung für den Landkreis und der angrenzenden Region übernehmen können. Auch alle denkbaren Kooperationen lösen dieses Problem nicht.
Mit der Einführung der DRG‘ s vor 20 Jahren war die politische Maßgabe, dass die Kliniken wettbewerbsfähiger werden sollen und den Bürgerinnen und Bürgern ein adäquates Angebot der stationären und teils ambulanten Daseinsvorsorge bieten.
Unsere Klinik hat dies getan.
Kontinuierlich wurde das Leistungsspektrum erweitert und die Anzahl der behandelten Patienten stieg stetig. Mit erheblichem Aufwand wurden Gebäudeerweiterungen und Umnutzungen realisiert und die Ausstattung mit Medizingeräten deutlich erhöht. Die Anzahl der Mitarbeiter stieg von 500 auf 730.
Die Klinik befindet sich seit 2014 in einer Generalsanierung mit einem Kostenvolumen von rund 100 Mio. Euro, die vom Freistaat Bayern in allen Bauabschnitten gefördert wird. Zumindest der Freistaat scheint die Bedarfsnotwendigkeit unserer Klinik zu sehen.
Nur zwei Merkmale trennen unsere Klinik aktuell zur erweiterten Notfallstufe 2. Wir arbeiten derzeit mit Hochdruck daran, beide Kriterien in Kürze erfüllen zu können. Wir befürchten allerdings, dass unsere Bemühungen ins leere laufen könnten, wenn wir an einem Detail der Kriterien zum geplanten Level 2 scheitern oder die Voraussetzungen im laufe des Prozesses wieder verändert werden oder wir bei strenger Auslegung des 30 Minuten-Kriteriums als Level li Haus klassifiziert würden.
Dieses abschreckende Szenario wäre ein massiver Rückschritt für die Klinik und die Region und eine äußerst herbe Enttäuschung für alle Mitarbeiter.
Aber nicht nur die Reformüberlegungen halten wir für extrem problematisch, auch die aktuelle Krankenhausfinanzierung sowohl von Seiten des Bundes als auch mit Blick auf die Investitionsfinanzierung der Länder ist seit Jahrzehnten unzureichend.
Die Corona-Pandemie wäre ohne unsere Kliniken nicht beherrschbar gewesen. Im Vergleich zu anderen Ländern war es günstig, dass Deutschland mehr Krankenhausbetten pro Einwohner vorhält. Auch wir waren Corona-Haus und haben unseren Beitrag zur Bewältigung der Situation erbracht. Dafür gab es Bonuszahlungen für die Pflege, Blumen und Klatschen für die gleiche Personengruppe und jetzt als Dank für den pausenlosen Einsatz eventuell den Abbau ganzer klinischer Bereiche. Das passt u. E. nicht zusammen.
Die geplanten Levels sind zum Scheitern verurteilt, da die Kliniken mit niedrigen Levels von den meisten Mitarbeitern als unattraktiv angesehen werden. Die Kliniken der höheren Levels werden auch in vielen Jahren noch nicht über die baulichen Kapazitäten verfügen, die sie benötigen würden, um die zusätzlichen Aufgaben, die sie dann von den Level 1 Häusern übernehmen müssten, zu bewältigen.
Wir fordern deshalb die sofortige Anpassung der Krankenhausfinanzierung von Bund und den Ländern.
Dazu muss nachhaltig mehr Geld in das System gegeben werden, um die inflationsbedingten Sachkostensteigerungen und die folgenden Tarifsteigerungen finanzieren zu können. Die ambulanten Vergütungen im Krankenhaus müssen deutlich angehoben werden um die Ambulantisierung voranzutreiben ohne dabei die Existenz der Kliniken zu gefährden.
Für einen Transformationszeitraum einer Krankenhausreform ist eine Budgetabsicherung erforderlich, um ein Hamsterrad zu Lasten der Beschäftigten zu vermeiden und den Fokus auf Qualität lenken zu können. Die Investitionskosten müssen länderseitig endlich wieder nach dem Vollkaskoprinzip gedeckt werden. Es ist an der Zeit, den Mitarbeitern in einem der größten und wichtigsten Sektoren unseres Staates in einer alternden Gesellschaft endlich eine Perspektive sicherer und erträglicher sowie finanziell lohnender Arbeitsbedingungen zu geben. Dazu zählt insbesondere auch, die Mitarbeiter in den Kliniken von dem Joch der überbordenden Bürokratie endlich zu befreien und nicht nur darüber zu reden!
Was wir bislang als Vorschlag der Regierungskommission und als Zwischenergebnisse der Bund-Länder-Gruppe gesehen haben, entspricht nicht dem was wir uns für die Klinik praktisch vorstellen. Die Reform würde sowohl die stationäre Versorgung unserer Bevölkerung und auch die wirtschaftliche Perspektive unserer Klinik und ihrer Mitarbeiter massiv verschlechtern.
Bitte berücksichtigen Sie die praktischen Hinweise aus den Kliniken vor Ort und passen Sie den Kurs der Reform an. Bitte helfen Sie. unseren Kliniken ihre Existenz zu sichern anstatt sie zu bedrohen. Veränderungsprozesse benötigen aus unserer Sicht eine Absicherung und Vertrauen durch Dialogprozesse und Bekenntnisse zu bestehenden bedarfsgerechten Strukturen. Ansonsten laufen wir Gefahr, durch die politische Verunsicherung dringend benötigtes Personal ohne Not in unseren Kliniken zu verlieren, was wir uns im Sinne der Versorgungssicherheit nicht leisten können.
Für einen praktischen Austausch stehen wir gerne zur Verfügung.
Gezeichnet: Landrätina Tamara Bischof, Dr. Werner Knaier (Fraktionsvorsitzender der CSU), Andrea Drexelius (Fraktionsvorsitzende der Grünen), Karl-Dieter Fuchs (Fraktionsvorsitzender der FW-FBW), Hans Müller (Sprecher der Ausschussgemeinschaft FDP, UsW und BP), Dr. Michael Bedö (Vorsitzender Gesundheitsnetz Kitzinger Land), Josef Mend (Fraktionsvorsitzender der FW), Robert Finster (Fraktionsvorsitzender SPD), Andrea Klingen (Fraktionsvorsitzende AFD), Reinhard Trump (Sprecher der ödp)
Hier können Sie den Brief auch nochmal in seiner Ursprungsform durchlesen: 00,99-23 BMG, Prof. Lauterbach, Brandbrief wg Krankenhausreform-Entwurf, 12-4-23